Handgesponnenes, handgewebtes Schultertuch

Der Blogeintrag kommt ein bisschen spät, aber dafür will ich die Schritte ausführlich beschreiben. Da der Sommer schön warm ist, kommt das Tuch auch noch nicht zum Einsatz, aber ich bin trotzdem schon sehr glücklich darüber.

Letztes Jahr hatte ich bei einem Markt in Bebenhausen sehr schön flauschige, bereits gewaschene und einigermaßen gekämmte graue Wolle gekauft. Nachdem ich an meinem Webrahmen erfolgreich zwei Teile aus Industriegarn gewebt hatte, wollte ich es mit handgesponnenem Garn ausprobieren. Also habe ich mich ans Verspinnen der grauen Wolle gemacht. Die Wolle ließ sich direkt verspinnen, ohne vorher nochmal kardiert werden zu müssen.

Das grau-melierte sah schon auf der Spindel wunderschön aus

Mein Schoß voller Flausche-Wolle

Das Spinnrad dreht sich schnell

Nach dem Spinnen kam dann das Haspeln und das Entspannungsbad.

Immer wieder schön: Wollsuppe a.k.a. Entspannungsbad

Das Garn war überdreht, aber das war Absicht, nach dem, was ich über das Weben mit handgesponnenem Garn gelesen hatte. Die Schwierigkeit liegt darin, handgesponnenes Garn als Kette zu nehmen, also als die Fäden, die Fest im Webrahmen eingespannt werden, durch die dann das andere Garn (der Schuss) gewebt wird. Die Kette ist ständigem Zug und Reibung ausgesetzt, darum muss sie sehr stabil sein. Damit ein handgesponnenes Garn das mitmacht, muss es geschlichtet werden. Dabei wird auf das Garn (nach dem Waschen/Entspannen), eine Schlichte aufgetragen. Ich habe mehrere Möglichkeiten gefunden: gekaufte Wäschestärke, Stärkemehl, Leinsamen, Knochenleim. Knochenleim war am Häufigsten empfohlen, und mein Mitbewohner Jens (Archäologe) hatte auch noch Knochenleim da, also habe ich mich dafür entschieden. Gut gerochen hat das Zeug nicht, und das Garn hat sich danach ganz unangenehm starr angefühlt, aber auch so, als ob es Zug und Reibung besser standhält.

Das Garn hat bewusst ganz viel Drall bekommen

Den Webrahmen habe ich mit einer "Dauerkette" bespannt, das hatte eines meiner Webbücher empfohlen für das Weben mit handgesponnener Kette. So muss man nicht jeden handgesponnenen Faden durch das Webblatt fädeln, und man verliert vor allem auch nicht so viel Kettgarn am hinteren Ende des Webstücks (da man bauartbedingt nicht ganz bis zum Ende weben kann).

Dauerkette aus Industriegarn

Um aus meinen Strängen Knäuel zu wickeln habe ich mir eine Schirmhaspel und einen Wollwickler zugelegt. Bisher hatte ich die Stränge um die Knie gelegt und dann mit einer Nostepinne von Hand Knäuel gewickelt. Das geht natürlich auch, ist aber etwas unbequem und dauert viel länger. Spinnen und Weben braucht ja sowieso viel Geduld, aber das Knäuel wickeln macht so einfach viel mehr Spaß.

Schirmhaspel und Wollwickler

Ein Knäuel-Turm!

Aus den Knäuel habe ich dann meine Kette geschärt, und danach die einzelnen Enden an die Enden der Dauerkette geknotet.

Weben ist Geduldsarbeit!

Danach konnte dann die Kette gebäumt werden, d.h. auf den hinteren Teil des Webrahmens aufgewickelt werden. Weil die Kette dabei gleichmäßigen Zug bekommen muss, kann man diesen Teil der Arbeit nur zu zweit machen.

Klaus hilft mir beim Bäumen der Kette

Die ersten zwei Reihen habe ich mit einem Streifen Baumwollstoff gewebt. Die werden nach dem Weben entfernt, aber sorgen dafür, dass das fertige Webstück dann von Anfang an gleichmäßig ist.

Die ersten zwei Reihen mit Baumwollstoff gewebt

Den Schussfaden musste ich dann auf die Webschiffchen (links im Foto oben) wickeln; dabei kam die Schirmhaspel auch zum Einsatz. Ich habe drei Webschiffchen, die breit genug sind für das Webstück, und so musste ich auch immer wieder frisch wickeln.

Das erste Stück ist geschafft

Ich hatte beim Hahnentritt Webstück gemerkt, was es für einen Unterschied macht, wie fest man den Schussfaden anschlägt (also wie eng man ihn an den vorhergehenden Faden zieht). Ich hatte keine Ahnung wie sich das handgesponnene Garn am Webrahmen verhalten würde und habe mich also einfach überraschen lassen. Ich hätte mir auch vorstellen können, einen Rock oder eine Tasche aus dem fertigen Stoff zu nähen, aber der Schuss ließ sich nicht sehr fest anschlagen. Aber enttäuscht hat es mich nicht, denn ich fand es dennoch von Anfang an wunderhübsch, vor allem auch durch die grau-melierte Farbe der Wolle. Und beim Waschen hätte sich das Ganze auch durchaus noch verändern können.

Besonders eng ließ sich das Garn nicht weben

Die Fäden sind in sich schon meliert, und dann gibt es noch einzelne, viel dunklere Fäden

Beim Spinnen und Weben hatte ich oft im Hintergrund den Fernseher laufen, mit der Serie "Vikings", die zur Nebenherberieselung durchaus annehmbar ist. Die Flechtfrisuren haben mir auf jeden Fall gut gefallen, und wohl auch beeinflusst, wie ich die Fransen verarbeitet habe, sobald das Tuch fertig war.

Frisch geflochtene Fransen

Die Fransen und das Tuch an sich waren nach dem Weben noch sehr starr aufgrund des Knochenleims. Ich wusste nicht, wie gut und schnell sich der Knochenleim heraus waschen lassen würde, aber es war mit einen Waschgang und ein paar Spülgängen erledigt.

Das Waschen war sehr aufregend: wie würde sich das Tuch verändern?

Danach habe ich das Tuch wie empfohlen auf eine Wolldecke zum Trocknen gelegt, und es ist erstaunlich schnell getrocknet. Danach habe ich das Tuch noch gewalkt, bzw. mit viel Dampf gebügelt, um die Fasern ein wenig zu verfilzen.

Das fertige Tuch trocknet

Das Webbild ist schon dichter als vorher

Und dann (nur 5 Wochen nach Beginn des Projekts) war das Tuch auch schon fertig! Miri hatte mich gefragt, ob ich das Tuch auch verkaufen würde, worauf ich nur antworten konnte, dass wohl niemand 500€ dafür zahlen würde (und auch das wäre wohl noch unter Wert!)... Für mich ist das Tuch unbezahlbar; es ist das Produkt von langer Arbeit, aber einer Arbeit die Spaß macht, weil sie kreativ, meditativ und entspannend ist (auch wenn sie manchmal Rückenschmerzen verursacht...).

Das fertige Tuch

Ein stolzer Selfie

Da das Tuch am Ende immer noch nicht sehr dicht gewebt war (auch wenn das Webbild am Ende dichter war als beim Weben selbst) ist es nun ein Schultertuch. Und wenn die Abende wieder kühler werden wird es bestimmt zum Einsatz kommen!


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